Freitag, 3. November 2017

Auf der Suche nach dem Drachenbaum


Liebe Drachenfreunde,

heute bin ich auf der Blumeninsel Madeira auf der Suche nach einer ganz besonderen Pflanze. Was hat die wohl mit Drachen zu tun? Ganz einfach: Es handelt sich um den berühmten Drachenbaum! Ein richtiger Baum ist dieses Gewächs zwar nicht, sondern ein Spargelverwandter. Aber da es rund 20 Meter hoch und mehrere Hundert Jahre alt werden kann, bleibe ich mal bei dem Begriff Baum. Wissenschaftlich heißt der Drachenbaum Dracaena, was so viel heißt wie „weiblicher Drache“. Wenn Ihr meine Bücher kennt, dann wisst Ihr, dass ich den Begriff Drachin bevorzuge (der Löwe hat schließlich auch seine Löwin….). Das Wort gibt es zwar nicht offiziell, aber das ist ja das Schöne an der Sprache. Man kann sie einfach auch ergänzen und erweitern! Wer diesem außergewöhnlichen Gewächs allerdings den Namen Dracaena gegeben hat, ist unbekannt. Es gibt im Wesentlichen zwei Theorien dazu. Manche Forscher führen die Benennung auf die Tatsache zurück, dass dort, wo am Drachenbaum ein Trieb abgeschlagen wird, ziemlich schnell mehrere neue wachsen – so, wie das angeblich bei den Köpfen einiger Drachen der Fall sein soll.




Die zweite – und aus meiner Sicht wahrscheinlichere – These besagt, dass der Baum nach seinem früheren Hauptprodukt benannt wurde, dem Drachenblut. Wird ein Drachenbaum verletzt, tritt ein farbloser Saft aus, der unter der Einwirkung des Luftsauerstoffs zu einem roten Harz wird. Dieses Harz war bei den Ureinwohnern Madeiras, den sogenannten Guanchen, sehr beliebt für medizinische Zwecke und zur Mumifizierung der Toten. Die Spanier, die die Insel im Mittelalter eroberten, erkannten ebenfalls den Wert des Drachenblutes. Man nutzte es auch in Europa, um Medikamente herzustellen, aber auch für die rote Farbe in vielen Gemälden. Tropische Harze waren im Mittelalter eine begehrte Handelsware. Der Weihrauchhandel (und -schmuggel) machte beispielsweise viele Händler reich. Aber auch das Drachenblut brachte sein Gewicht in Gold ein.  

 

Im 19. Jahrhundert nutzte man im großen Stil das rote Harz für Lacke und Polituren. Viele ältere Geigen verdanken ihre rötliche Färbung dem Drachenblut und auch als Zusatz zur Zahnpasta setzte man seine keimtötende Wirkung ein. Da die Ernte des Drachenblutes eine zeitaufwändige Technik erforderte, lohnte sich die Gewinnung nicht mehr, als natürliche Farben immer mehr durch synthetisch hergestellte ersetzt wurden. Heute gibt es kaum noch wild wachsende Drachenbäume auf Madeira. Es gab zwar Überlegungen, den Baum wieder anzusiedeln, aber viele Flächen wurden dann doch mit schnell wachsendem Eukalyptus bepflanzt, der für die Papierherstellung nach Europa exportiert wird.



Wir wanderten viele Kilometer an den Levadas entlang, dem traditionellen Wasserversorgungssystem der Insel, und bewunderten die üppige Landschaft und viele einheimische und auch eingeführte Pflanzen. Aber Drachenbäume fanden wir keine. Natürlich gibt es sie in Vorgärten oder im Botanischen Garten, aber da sind sie meist noch sehr klein. Längst steht Dracaea auf der Liste der bedrohten Arten. Ob dieses wunderschöne Gewächs irgendwann auch wieder wild wachsen wird – womöglich sogar wie früher als Wald?



Bitte schreibt mir, ob Ihr schon mal einen Drachenbaum in der Natur gesehen habt. Sie kommen in zwei Arten auch auf den Kanaren und in Teilen Nordafrikas vor. Ich freue mich auf Eure Antworten.

Hier übrigens eine Beobachtung, die gar nichts mit Drachen zu tun hat, die ich Euch aber nicht vorenthalten wollte. Manchmal klappt das mit Katze und Maus eben doch...




Alles Liebe und immer die Nase im Wind

Eure Ruth Omphalius

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