gleich mein erster „Drachenort“ stellt sich als äußerst mysteriös heraus. Ich stehe hier auf dem Dragon Hill in Oxfordshire unterhalb des berühmten Pferdes von Uffington. Der Dragon Hill ist ein natürlicher Kreidehügel mit einer künstlich abgeflachten Kuppe. Angeblich soll hier der Heilige Georg einen Drachen getötet haben. Und genau dort, wo das Drachenblut vergossen wurde, wächst bis heute kein Gras mehr.
Soweit die hiesige Legende und Georg ist ja wirklich ein ziemlich berühmter Heiliger. Fast jeder kennt irgendeine der zahllosen Darstellungen, wie er den Drachen erschlägt. Er ist der Inbegriff des Drachentöters - aber was hatte er hier in Großbritannien zu suchen? Die Antwort lautet: Gar nichts.
Über den historischen Georg ist so gut wie nichts bekannt. Man nimmt an, dass er im 3. Jahrhundert in Kappadokien geboren wurde und zu Beginn der Christenverfolgung unter Diokletian das Martyrium erlitt. Das war dann schon die Sache mit den Fakten. Zum Drachentöter wurde er erst einige Jahrhunderte nach seinem Tod, nämlich im 12. Jahrhundert, zur Zeit der Kreuzzüge.
Wie in einem mittelalterlichen Ritterepos soll Georg ausgezogen sein, um eine Königstochter zu retten, die einem Drachen als Opfer übergeben worden war. Natürlich erschlägt er das Untier und führt die Jungfrau heim. Soweit war Georg für die Menschen des Mittelalters der vollendete Ritter, aber sein Ziel war nicht etwa, wie im Märchen die Hand der Königstochter und das halbe Königreich zu gewinnen. Er war ja zugleich auch Heiliger und deshalb wünschte er sich stattdessen, dass sich möglichst viele Menschen in dem Königreich taufen ließen. Zur Zeit der Kreuzzüge bestand ja schon das Problem zu erklären, wie jemand zugleich „Heiliger“ und „Ritter“ sein konnte. Da war der Drache natürlich das ideale Feindbild – auf ihn durfte sowohl ein Heiliger als auch ein Ritter einschlagen.
Jedenfalls wurde Georg dann auch während der Kreuzzüge zum Engländer. Kein Geringerer als Richard Löwenherz erwählte ihn zu seinem Schutzpatron. Das querliegende, rote Kreuz, ein Attribut des Heiligen Georg, ziert sogar heute noch die britische Flagge. Trotzdem ist es natürlich ziemlich weit hergeholt, Georgs Drachenkampf nach Oxfordshire zu verlegen. Es sei denn, es gäbe eine andere alte Drachentradition. Ganz häufig werden ja wichtige heidnische Orte zu christlichen erklärt.
Tatsächlich sehe ich etwas Vielversprechendes direkt vor mir: das Weiße Pferd von Uffington. Eine Neudatierung dieser imposanten, Darstellung eines langgestreckten Tieres hat ergeben, dass das Kunstwerk viel älter ist, als man bisher dachte. Statt im 5. Jahrhundert n. Chr., wie lange Zeit angenommen, soll es schon zwischen 1400 und 600 v. Chr. entstanden sein, das heißt, in der späten Bronze- oder in der frühen Eisenzeit. Damit gehört es zu den ältesten Scharrbildern in ganz Großbritannien. Und wenn man die Gestalt so ansieht, mit der gespaltenen Zunge und dem überlangen Schwanz, dann kann man sich schon vorstellen, dass hier eigentlich ein Drache zu sehen ist.
Schaut Euch hier eine Luftaufnahme an: klicke hier
Die Idee kam mir vor Ort ganz spontan, aber natürlich habe ich mittlerweile gelesen, dass diese Idee schon einige andere vor mir hatten. Manche Forscher glauben, dass vielleicht auf dem Drachenhügel prähistorische Rituale stattgefunden haben, an die das Scharrbild vielleicht erinnerte. Ich persönlich könnte mir auch vorstellen, dass der Drache (wenn es denn einer ist) auch eine Wachfunktion hat. Rundum gibt es ja ein paar Hünengräber aus der Bronzezeit (!). Ich könnte mir vorstellen, dass man da ganz gern einen Drachen als Wächter in der Nähe hatte – selbst, wenn der nur ausgescharrt ist. Schreibt mir doch, was Ihr von der Idee haltet – oder auch, wenn Ihr einen guten Drachenort oder eine gute Drachengeschichte wisst. Ich könnte mir jedenfalls ganz gut vorstellen, dass hier, direkt vor mir ein guter Ort wäre, um ein Magisches Tor in die Drachenlande zu installieren.
Viele Grüße und immer die Nase im Wind
Ruth Omphalius
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen